Fast alles verloren, neuen Mut gewonnen

Der Internetauftritt von Dominique Stawik zeigt eine fröhliche junge Podologin in einer modernen, schönen Praxis. Doch seit dem 14. Juli ist in den Räumen in Hagen nichts mehr, wie es war. Die Türen, die Möbel, der Behandlungsstuhl – alles zerstört oder verschwunden. Das Hochwasser hat nichts davon übriggelassen.

„Das ist das Schrecklichste, was meiner Familie und mir als Selbstständige je passiert ist“, berichtet Stawik, Podologin seit 2018. Sie erzählt: „Wir waren gerade im Urlaub, als das Hochwasser kam und konnten zunächst nur über Handy und FaceTime tatenlos zusehen. Der Fluss, der genau hinter meiner Praxis verläuft, wurde beinahe minütlich höher, bis er langsam übers Ufer trat. Dazu kamen der Starkregen, der nicht aufhören wollte und das Wasser aus den Bergen. Einfach Horror!“

„Abends gegen 21 Uhr waren die Wassermassen so hoch, dass Autos einfach weggetragen wurden und sogar riesige Bäume“, erinnert sich Stawik. „Ein Baumstamm wurde in mein Eckschaufenster gedrückt, sodass ab da die Volme die Abkürzung quer durch meine Praxis nehmen konnte.“ Türen und Wände konnten das Wasser nicht aufhalten, das gesamte Inventar wurde fortgespült.

Versicherungen zahlten nicht

Nach Hause zurückgekehrt, stand Stawik vor den Trümmern ihrer Existenz. „Es war vollkommen surreal und ich stand zu sehr unter Schock, um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können“, sagt sie heute. Denn neben der Praxis war auch der gesamte untere Bereich ihres Hauses nicht mehr nutzbar. Die Familie rückte in der oberen Etage eng zusammen und klammerte sich nun an den Gedanken, gut versichert zu sein und das Wichtigste ersetzt zu bekommen. „Jedoch hat die Versicherung in diesem Zusammenhang noch ein paarmal ihre Meinung geändert“, so Stawik. Die Prüfungen und Verhandlungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen.

Für einen Hauch von Normalität wollte Stawik schnell wieder arbeiten. Ihre Patienten brauchen sie ebenfalls. Nur wo und wie? Durch ihre Kollegin Maike Sörensen erfuhr Dominique Stawik von der Hilfsaktion der HELLMUT RUCK GmbH und wandte sich an das Unternehmen, dessen Kundin sie schon lange war. Kurz darauf stand Key Account Manager Yannick Obreiter vor ihr, um sich ein Bild vom Unterstützungsbedarf zu machen. „Ich war schockiert und tief getroffen über das Ausmaß der Schäden vor Ort“, erinnert sich Obreiter. „Der Gehweg wurde praktisch weggespült und schwere Einrichtungsgegenstände vom Wasser die Straße hinuntergetragen. Gleichzeitig war eine große Solidarität der Menschen untereinander spürbar. Frau Stawik zum Beispiel konnte bereits wenige Tage nach der Katastrophe einen Raum nur wenige Häuser weiter nutzen, der ihr als Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wurde.“

Tatsächlich sprach sich schnell herum, was der geschätzten Podologin und Nachbarin passiert war. Die Naturheilpraxis Robbenmenke und Vogel stellte Stawik einen Raum für Behandlungen zur Verfügung – umsonst. Stawiks frühere Arbeitgeberin, Podologie Scharff in Schwerte, spendierte spontan ein Riesenpaket mit Instrumenten und vielem mehr. Nur die Praxisausstattung inklusive Behandlungsstuhl, Fußpflegegerät und Euroklav fehlte – diese kam nun als Gratis-Leihgabe aus dem Hause RUCK.

Kolleg*innen, die Dominique Stawik privat oder auch nur virtuell kannte, gaben wertvolle Tipps und vermittelten weitere Hilfen. Zudem kam einiges an Geld- und Sachpenden zusammen. All das, sagt Stawik heute, gab und gibt ihr die Kraft, weiterzumachen und sowohl ihre Praxis als auch ihr Zuhause neu aufzubauen. „Die Regierung hat mir bei all dem nicht wirklich geholfen“, merkt sie an. „Aber vielleicht kommt ja noch was, wer weiß.“

Wie es jetzt weitergeht

„Mein privater Alltag ist genauso chaotisch wie mein beruflicher“, zieht Stawik eine erste Bilanz. „Wir sind erst im Frühling in unser Eigenheim eingezogen und jetzt ist die untere Etage wieder einem Rohbau gleich. Es mussten alle Wände und Böden geöffnet werden, da Wasser überall eingedrungen ist. Wann wir wieder normal leben und wohnen können, ist fraglich.“

Was die Podologin optimistisch in die Zukunft blicken lässt, ist folgender Umstand: „Dank der großartigen Unterstützung derer, die ich bereits erwähnt habe, kann ich glücklicherweise wieder fast normal arbeiten. Okay, es ist nicht meine Praxis und ich bin in nur einem Raum, muss meine Instrumente zu Hause aufbereiten. Aber ich arbeite. Darüber bin ich sehr glücklich. Und darüber, dass mir meine Patienten so treu geblieben sind.“

Ihr größter Wunsch: Spätestens zu Weihnachten „in unserem Heim ohne irgendwelche Spuren vom Hochwasser leben“ zu können. „Da ich wieder zurück in meine Praxis gehen werde, hoffe ich natürlich, dass es nicht nochmals zu so einer Katastrophe kommt“, ergänzt sie.

Anderen Gründer*innen, die in Wassernähe eine Praxis mieten oder kaufen, rät sie: „Das Wichtigste ist nach meiner jetzigen Erfahrung, jede Versicherung prüfen zu lassen. Sodass man, zumindest was das angeht, nicht allein dasteht. Jedoch sollte man auf jeden Fall eine Elementarversicherung für das Inventar sowie eine Berufshaftpflichtversicherung haben. Ich habe noch einige andere Versicherungen, die mir jetzt aber nichts genützt haben. Am besten, man lässt sich von einem unabhängigen Versicherungsmakler beraten, der vielleicht sogar noch Versicherungsrecht studiert hat. So einer ist mir nämlich jetzt an die Seite gestellt worden, damit ich nicht mehr übers Ohr gehauen werde.“

„Man kann das nie wieder gutmachen“

Manche sprechen Dominique Stawik darauf an, ob sie denn jetzt nicht woanders wohnen und arbeiten wolle, weit weg von jeder Art von Gewässer. Ihre Reaktion darauf lautet: „Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich gehe wieder zurück, obwohl viele es nicht verstehen können. Aber ich liebe es dort und habe mich immer wohl gefühlt. Zudem ist der Standort perfekt in jeder Hinsicht, die relevant ist. Den geb` ich nicht mehr her!“

Sie ergänzt: „Ich kann nicht in Worte fassen, wie dankbar ich für so viel Hilfe bin. Man kann das nie wieder gutmachen oder sich irgendwie erkenntlich zeigen. Ich habe mir sehr lange Gedanken dazu gemacht. Es war nicht leicht, diese Hilfen anzunehmen. Aber ich bin jetzt in einer Situation, in der mir nichts anderes übrigblieb. Ich musste lernen, meinen Stolz hintanzustellen. Also bedanke ich mich bei jedem einzelnen lieben Menschen von ganzem Herzen, der mir, in welcher Form auch immer, geholfen hat.“

Wer andere in solch einer Situation unterstützen möchte, dem legt Dominique Stawik folgendes ans Herz: „Ich glaube, Unterstützung kann vieles sein. Natürlich Sachspenden und Gelder, in erster Linie, um vieles zu erleichtern. Aber auch eine Umarmung tut gut! Verständnis, Zuhören und Rat ist sehr hilfreich. Oder einfach nur da sein. Unterstützung kann also alles Mögliche beinhalten.“

Die HELLMUT RUCK GmbH hatte Mitte Juli einen Hilfsfond in Höhe von 20.000 Euro eingerichtet und dazu aufgerufen, dass sich geschädigte Podologen*innen, Fußpfleger*innen und Kosmetiker*innen bei einem speziell dafür eingerichteten Team melden. Wie Geschäftsführer Simeon Ruck erklärt, war das Ziel "ganz persönlich, nachhaltig und vor allem schnell zu helfen." Yannick Obreiter war als Key Account Manager Teil dieses Teams und hat Frau Stawik persönlich betreut. Bei ihm hat die Redaktion der PODOLOGIE nachgefragt:

Wie konnten Sie das Ausmaß der Schäden an betroffenen Praxen ermitteln?
Grundsätzlich spielt Vertrauen an dieser Stelle eine große Rolle. Wir wollen den Betroffenen möglichst schnell und unbürokratisch helfen. Im Fall von Frau Stawik, die mit RUCK gemeinsam ihre Praxis eingerichtet hatte, war es natürlich einfacher, den Schaden zu überblicken. Wir haben jedoch auch Podologinnen und Podologen geholfen, die nicht zu unseren Kunden gehören. Für eine exakte Schadensermittlung kann hier zum Beispiel ein Gutachter herangezogen werden oder auch ein Versicherungsunternehmen. Um Hilfe von RUCK zu erhalten, war dies jedoch nicht notwendig.

Welche Art und welcher Umfang von Hilfe wurde für Frau Stawik bereitgestellt?
Der neue Behandlungsraum wurde innerhalb kürzester Zeit eingerichtet, unter anderem mit einer MOON Behandlungsliege und einem Ultraschallgerät. Diese leihweise kostenlos zur Verfügung gestellte Einrichtung kann auf Wunsch zu einem günstigen Sonderpreis abgelöst werden. Auch Verbrauchsmaterialien wurden zum Sonderpreis abgegeben und Zahlungsziele entsprechend verlängert.

Wie genau lief die Hilfe ab?
Wir haben den bürokratischen Aufwand so gering wie möglich gehalten. Durch das gute Zusammenspiel vieler Beteiligter konnten wir schließlich in Rekordzeit – nur zehn Arbeitstage nach dem Erstkontakt – die Einrichtungsgegenstände ausliefern. Da unsere hauseigene Spedition vollständig ausgelastet war, entschloss ich mich dazu, persönlich nach Hagen zu fahren, um Liege und Einrichtung dort an Frau Stawik auszuliefern.

Geht die Unterstützung von Frau Stawik durch die HELLMUT RUCK GmbH noch weiter und wenn ja, wie genau?
Die Unterstützung läuft selbstverständlich weiter und wird so lange andauern, bis sich die Lage vor Ort entspannt hat. Wir sind froh, wenn wir Frau Stawik und anderen Betroffenen auf diese Weise helfen können und möchten gleichzeitig ein Zeichen für mehr Zusammenhalt und Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Branche setzen. Wenn alle an einem Strang ziehen, kann gemeinsam viel erreicht werden.

 

Wir bedanken uns beim Verlag Neuer Merkur und Frau Sörensen für die Möglichkeit, den Beitrag aus der PODOLOGIE Ausgabe 10/2021 in unserem Blog zu veröffentlichen. Mehr Informationen zur PODOLOGIE, dem Journal für professionelle medizinische Fußpflege, finden Sie unter www.podologie.de.


Korrespondenzadresse Autorin

Maike Sörensen, Podologin & Heilpraktikerin beschränkt auf das Gebiet der Podologie Erichstrasse 2, 31785 Hameln
E-Mail: podologie-soerensen@gmx.net
Internet: www.podologie-akademie.de

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