Fachgrenzen überwinden – Die interdisziplinäre Zusammenarbeit

Interdisziplinär, was ist das eigentlich? Nach einer gängigen Definition versteht man darunter "… das Überwinden enger Fachgrenzen und das konstruktive Interagieren von Fachexperten im Sinne einer größeren Ökonomie, Effektivität, Lebens- und Sachnähe zur Bewältigung komplexer Aufgaben."

Zu kompliziert? Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Haus bauen. Wäre es da nicht sinnvoll, neben dem Maurergewerk auch Zimmerleute, Dachdecker, Installateure, Elektriker und nicht zuletzt Architekt und Bauingenieur im Boot zu haben? Gute Organisation und das Koordinieren der verschiedenen Aufgaben sind dabei von großer Bedeutung, nur so kann das Zusammenspiel der Fachbereiche perfekt ineinander greifen. Wie man sieht ist "interdisziplinär" kein neuzeitlicher Modebegriff, sondern in vielen Bereichen seit Jahrhunderten gelebtes Prinzip.

Kooperation mit Arzt und Kasse

Der Podologe sieht sich grundsätzlich eher als "Einzelkämpfer“. Aber auch hier gibt es Bereiche einer fachübergreifenden Zusammenarbeit, vor allem im medizinischen Bereich ist die Kooperation mit dem Arzt oft notwendig. Ein Beispiel: Bei der Nagelkorrektur mit Spangentechnik – einer podologischen Domäne – macht es Sinn, auf ärztliche Anweisung zu arbeiten. So kann die Kostenrückerstattung bei der Gesundheitskasse viel leichter beantragt werden. Die Zusammenarbeit mit dem Arzt ist sogar gesetzlich verankert:

§ 3 Podologengesetz (PodG)
Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs insbesondere dazu befähigen, (...) pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen, unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mitzuwirken. Arzt und Podologe können und sollten eine patientenorientierte Symbiose, das heißt eine für beide Seiten vorteilhafte Verbindung, eingehen. Nicht nur der Patient, sondern alle Beteiligten profitieren von einer solchen Zusammenarbeit.

Die wichtigsten Vorteile:

  • Kostensenkung durch kürzere Behandlungsdauer
  • Diagnostische Absicherung
  • Schnellerer und dauerhafter Behandlungserfolg
  • Gesteigerte Patienten- und Therapeutenzufriedenheit


Die Fußambulanz – gemeinsam mehr erreichen

Das Diabetische Fuß-Syndrom (DFS) ist eine gefürchtete Begleiterscheinung des Diabetes mellitus. Die Ursachen sind meist Neuropathien, die zum Verlust des Warnsignals Schmerz führen. Es entstehen Weichteil- aber auch Knochenschädigungen, die der Patient selbst aufgrund des fehlenden Schmerzempfindens nicht wahrnimmt. Viel zu oft führt dieses Krankheitsbild zu einer Amputation.

Diabetiker haben ein 30fach erhöhtes Amputationsrisiko. Etwa die Hälfte der Amputationen erfolgt oberhalb des Sprunggelenks (Major-Amputation), was wesentlich riskanter ist, als Minor-Amputationen einzelner Zehen. Besonders problematisch: Innerhalb von vier Jahren kommt es bei mehr als der Hälfte der einseitig amputierten Patienten zu einer weiteren Amputation auf der Gegenseite. Experten gehen davon aus, dass bis zu 80 % der Amputationen vermeidbar wären.

Wie kann das Amputationsrisiko vermindert werden?

  • Optimierte Blutzuckereinstellung
  • Frühzeitige und professionelle Behandlung des DFS
  • Bessere Vernetzung von ärztlichen und nichtärztlichen Fachberufen, ambulant und stationär

Etabliert hat sich eine erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit und damit eine bessere Vernetzung vor allem in den diabetischen Fußambulanzen. Ärzte, Diabetesberater, Wundexperten, Orthopädieschuhmacher und nicht zuletzt Podologen bilden ein Team, welches aktiv die professionelle Versorgung von Diabetikerfüßen sicherstellt.
Das zeigt: Interdisziplinäre Zusammenarbeit kann Füße und letztlich Leben retten. "Wir wissen heute, dass in spezialisierten Einrichtungen deutlich bessere Behandlungsergebnisse zu erzielen sind" bestätigt auch Professor Dr. Ralf Lobmann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß in der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)*. Einen Fuß zu retten bedeutet einen unermesslichen Mehrwert für die Lebensqualität des Patienten. Deshalb lohnt es sich, um jeden Fuß zu kämpfen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Gesundheitswesen schafft dabei notwendige Synergieeffekte für ein gemeinsames Ziel: Dem Patientenwohl.

*Quelle: www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de

Aufgabenbereiche des Podologen in der diabetischen Fußambulanz:

  • Mykosen (Nagel/Haut)
  • Hyperkeratosen, Hühneraugen, Sekretionsreduktion
  • Wundbehandlung (nach ärztlicher Anweisung im Wagner-Stadium 1)
  • Läsionen, Fissuren, Rhagaden
  • Unguis Incarnatus (eingewachsener Nagel)
  • Schulung und Beratung (Fußpflege/Schuhwerk)

Wir haben nachgefragt

Bernd Maisenbacher, selbst Inhaber einer podologischen Praxis mit Kassenzulassung, sieht in der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team große Vorteile: "Vor allem der schnelle Austausch mit dem richtigen Ansprechpartner," berichtet Maisenbacher, "In unserem Fall sind es besonders kurze Wege: Die Arztpraxis befindet sich im gleichen Gebäude und der Orthopädieschuhmacher kommt bei Bedarf direkt zu uns in die Praxis," berichtet Maisenbacher. Besonders wichtig für Podologen, die Teil eines solchen Teams werden wollen, ist nach seiner Auffassung neben einer guten Team- und Kommunikationsfähigkeit die Fähigkeit die Grenzen des eigenen Leistungsspektrums zu erkennen.

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